Was ist ein Delisting-Abfindungsangebot?

Ist ein Unternehmen im regulierten Handel notiert und will sich davon zurückziehen, dann hat es den Aktionären ein Abfindungsangebot zu unterbreiten. Dabei muss mindestens ein Preis angeboten werden, der dem volumengewichteten Sechs-Monats-Durchschnittskurs entspricht.

Was sich jetzt fair anhört, ist in der Realität meistens nicht so prickelnd. Denn ein Delisting wird meist taktisch von einem Großaktionär genutzt, um günstig an die Aktien der Minderheitsaktionäre zu kommen. Und das bedeutet dann, dass so ein Angebot gerne dann veröffentlicht wird, wenn der Aktienkurs eine Talfahrt hinter sich hat. Und der Großaktionär die Zukunftsaussichten des Unternehmens offenbar besser einschätzt als die Marktteilnehmer. Denn warum sollte er sonst die Aktien kaufen wollen? 

Den umgekehrten Fall gibt es natürlich auch: Wenn der volumengewichtete Sechs-Monats-Durchschnittskurs sehr tief liegt und der aktuelle Kurs aufgrund positiver Nachrichten schon wieder angestiegen ist. Dann geht der Großaktionär nicht unbedingt von vielen angedienten Aktien aus, will aber die historische Chance nutzen, sich günstig aus dem regulierten Handel zurückzuziehen. Denn nach einem Delisting ist er z.B. auch von der Pflicht befreit, bei Überschreiten gewisser Schwellen ein Übernahmeangebot an alle außenstehenden Aktionäre abzugeben. Er kann also fröhlich Aktien zu jedem beliebigen Preis zukaufen, ohne daraus ungewollte Konsequenzen zu befürchten.

Gibt es eine generelle Empfehlung zur Annahme des Delisting-Abfindungsangebots?

Als Anleger stehst Du natürlich vor der Frage, ob Du das Delisting-Abfindungsangebot annimmst. Du hast bei der Beantwortung allerdings einen großen Vorteil gegenüber vielen institutionellen Anlegern: Du musst es nicht annehmen, sondern kannst Dich frei entscheiden. Einem ETF z.B. bleibt nichts anderes übrig, er muss verkaufen.

Eine generelle Antwort gibt es naturgemäß nicht. Es hängt immer vom Einzelfall ab. Ein Anhaltspunkt kann der aktuelle Börsenkurs sein. Liegt er über dem Delisting-Abfindungsangebot, dann wäre es jedenfalls besser, über die Börse zu verkaufen. 

Aber warum überhaupt verkaufen?

Du hast Dich ja aus speziellen Gründen dafür entschieden, Aktionär eines Unternehmens zu sein. Ändert sich daran etwas? Wenn der Börsenhandel in Hamburg weitergeführt wird, dann hast Du auch nach dem Delisting eine Ausstiegsmöglichkeit. Und kannst entspannt weiter an dem Erfolg Deines Unternehmens partizipieren.

Allerdings kann es auch sein, dass der Aktienkurs durch ein vorangegangenes Übernahmeangebot stark gestiegen und das Delisting-Abfindungsangebot deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung gar nicht schlecht ist. So war es z.B. bei zooplus. Die Aktie wurde durch ein Bietergefecht in die Höhe getrieben, dann gab es eine Einigung der Bieter mit anschließender Übernahme. Und kurze Zeit später das Delisting. Mit einem Abfindungsangebot zu 480 € je Aktie. Der Börsenhandel in Hamburg läuft seitdem weiter. Die Aktie hat mittlerweile aber rund die Hälfte ihres Aktienkurses gegenüber dem Abfindungsangebot verloren. Das ist nun für einen langfristig orientierten Anleger zunächst einmal irrelevant. Es besteht aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse die Gefahr, dass es zu einem Squeeze-Out kommt. Und dort womöglich nun nur noch der inzwischen sehr niedrige volumengewichtete Drei-Monats-Durchschnittskurs als Abfindung bezahlt wird.

Häufiger sind allerdings Fälle, in denen die Aktie nach dem Delisting deutlich zulegen konnte. Beispielhaft kannst Du Dir ja mal Rocket Internet (Delisting-Abfindungsangebot zu 18,57 € Ende 2020) oder Centrotec (Delisting-Abfindungsangebot zu 15,03 € im Januar 2021) anschauen. Hier war es für Kleinanleger besser, sich nicht vom Delisting irritieren zu lassen und einfach investiert zu bleiben.